Sonntag, 13. September 2020

The Priory of the Orange Tree von Samantha Shannon

 

'There's promise in tales that are yet to be spoken.'


 

Geständnis: Ich bin kein großer Fantasy Fan. YA Fantasy habe ich inzwischen so viel gelesen, dass ich oft schon beim Lesen von Klappentexten das Interesse verliere. High Fantasy „für Erwachsene“ ist oft sehr ähnlich aufgebaut und hat mich ehrlich gesagt nie groß interessiert. Ich lese Fantasy, kann aber nicht wirklich behaupten: „Das ist MEIN Genre.“ Und dann kommt immer mal wieder ein Buch wie Priory und erinnert mich daran, wie viel Spaß Fantasy als Genre machen kann.


Worldbuilding

Mit wenigen Worten beschreibt Samantha Shannon ihre Welt voller Drachen. Ich hatte nicht das Gefühl, absatzweise Beschreibungen zu lesen, doch ich habe trotzdem ein genaues Bild der Welt vor Augen. SS hat verschiedene Religionen erschaffen, die teilweise die selbe Figur im Mittelpunkt haben und teilweise zu einer vollkommen anderen Kultur gehören und gar nichts mit den anderen gemeinsam haben. Sie hat Reiche mit verschiedenen Drachen und verschiedenen Sichten auf Drachen erschaffen und sie in Kontrast gesetzt. Alles in allem hat sie auf knapp 800 Seiten geschafft, nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern auch eine ganze Welt aufzuspannen und ihr Leben einzuhauchen.


Schreibstil

Erinnert sich hier noch irgendwer daran, dass mir der Schreibstil beim Lesen nur sehr selten auffällt? Ich bezweifle es, aber Priory ist definitiv einer dieser seltenen Fälle. Ich wünschte, ich hätte mir Stellen markiert, die ich hier zitieren könnte. Mehrfach habe ich innegehalten und gedacht, wie gut ein Satz oder ein Dialog geschrieben war.


Beziehungen & Charaktere

SS legt einen starken Fokus auf die Figuren und ihre Beziehungen unterschiedlichster Art. Im folgenden werde ich auf die vier eingehen, aus deren Sicht das Buch erzählt wird.


Ead

Ead war vermutlich eine der coolsten Figuren des Buches. Als Mitglied der Priory of the Orange Tree, eine Art Hexe, wurde sie nach Inys geschickt, um die dortige Königin, Sabran, zu beschützen. Durch Eads Sicht wird das Leben am Hof direkt interessant. Sie arbeitet hinter den Kulissen und hat es sich zur Aufgabe gesetzt, über die Geheimnisse am Hof auf dem Laufenden zu bleiben. Als Außenstehende behandelt sie unsere Königin als Menschen, anders als der Rest des Hofes, und fängt damit ihre Aufmerksamkeit ein. Es macht Spaß, mitzuverfolgen, wie ihre Beziehung sich langsam entwickelt und ich liebe die kleinen Details, die immer wieder zeigen, wie nahe sie sich stehen. Und eine Szene, in der die Beiden mit einander tanzen, ist vermutlich die Stelle des Buches, an die ich aktuell am häufigsten denke. Man spürt praktisch durch die Seiten die Spannung zwischen ihnen.


Tané

Wenn Tané sich ein Ziel setzt, dann setzt sie alles daran, es zu erreichen. Und Tané will unbedingt zur Drachenreiterin werden. Während ihrer Kapitel geht eine Menge schief, aber sie ist zu stur, um sich unterkriegen zu lassen und kämpft sich immer weiter. Durch sie lernen wir den Osten kennen, der sich stark von dem Westen unterscheidet. Letztendlich hinkt der Vergleich, doch gerade am Anfang habe ich ein paar Mal gedacht, dass Tanés Erzählstrang wie eine erwachsenere Version des Filmes Drachenzähmen leicht gemacht wirkt.


Loth

Loth ist definitiv die Figur, die im Laufe des Buches am meisten dazu gelernt hat. Seine Reise beginnt mit einem Exil, weil durch seine Freundschaft zu Sabran Gerüchte aufkamen, die mögliche Ehepartner abschrecken könnten. An Loths Sicht mochte ich, dass ihm keine Romanzen aufgezwungen werden. Es wäre nicht schwer gewesen, ihm jemanden an die Seite zu schreiben, stattdessen hat sich SS dafür entschieden, dass die enge Beziehung zu seiner Schwester und seine ebenso enge Freundschaft mit Ead und mit Sabran genug für ihn sind.


Niclays

Und letztendlich Niclays. Niclays ist die komplexeste der vier Erzähler-Figuren. Er wurde vor Jahren aus Inys verbannt und lebt seitdem auf einer kleinen Insel im Osten im Exil. Selbst nach 800 Seiten weiß ich nicht, was ich über ihn denke. Mag ich ihn? Habe ich Mitleid mit ihm? Bin ich genervt von ihm? Oder vielleicht eine Mischung aus allem? Er ist nicht unbedingt ein guter Mensch und er hat seine Gründe für seine Ansichten und Handlungen, doch viele der Dinge, die ihm passieren, verdient er nicht.


Zusätzlich zu den vielschichtigen Hauptcharakteren hat SS allerdings auch geschafft, Nebenfiguren genug Charakter zu geben. Mehrfach hat mich der Tod von Figuren getroffen, bei denen ich nicht erwartet habe, an ihnen zu hängen. Mehrfach habe ich mich für Figuren gefreut, wenn ihnen mal etwas Gutes passiert.


Diversity

SSs Welt ist divers. Von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, über queere Menschen bis hin zu Menschen mit Behinderung ist so ziemlich alles dabei. Es ist eine ideale Welt, in der niemand wegen irgendwas davon verurteilt wird und es ist erfrischend und hat das Buch für mich lebendiger gemacht.


Plot & Foreshadowing

Einer meiner liebsten Teile des Buches sind die Puzzle-Stückchen, die SS auf den Seiten verstreut. Kleine Details, die die vier Erzählperspektiven verbinden und Hinweise auf künftige Enthüllungen liefern. Nicht alle Wendungen kommen überraschend und genau das macht sie so gut. Es macht ebenso viel Spaß, sie selbst zusammen zu bekommen wie absolut nichts zu ahnen und das spricht nur dafür, dass die Autorin es richtig gemacht hat.


Unterschiede zu klassischer Fantasy & andere Details

Ich will hier gar nicht tief eintauchen, sondern nur nochmal ein paar der Twists erwähnen, die Priory in meinen Augen anders machen. Zum einen wäre da, wie bereits erwähnt, dass die Welt divers ist und der Cast nicht so männerlastig wie bei Fantasy sonst üblich, ohne in Richtung YA Fantasy zu gehen. Ich fand es ganz erfrischend, dass die meisten Figuren in ihren Zwanzigern sind – also weder halbe Kinder, noch komplett Erwachsene. Und die Drachen, ich fand spannend, dass es zwei verschiedene Arten von Drachen gibt, wie sie sich unterscheiden und wie die Welt um sie herum aufgebaut wurde.


Das Finale

Meine einzige winzige Kritik wäre, dass das Finale etwas zu schnell ging. Nachdem fast 800 Seiten lang alles langsam aufgebaut wird wirkte es seltsam, dass der Konflikt innerhalb von zwei Kapiteln oder so gelöst ist. Doch abgesehen davon habe ich das Buch nach der letzten Seite zufrieden zugeklappt. Das Geschichte ist zwar abgeschlossen, bietet aber Potential für eine Fortsetzung in der Zukunft. Das Zitat am Anfang fällt auf den letzten Seiten und drückt das selbst ziemlich gut aus. Priory funktioniert schon perfekt als Einzelband, diese Möglichkeit von Mehr gibt ihr aber noch ein gewisses Extra, dass es perfekt abrundet.

2 Kommentare:

  1. Hallo Julia,

    eigentlich hätte es deiner Rezension gar nicht mehr bedurft. Du hattest mich schon mit den Worten: Es ist so genial, du musst es lesen. (<frei zitiert)

    Das was du über das Worldbuilding schreibst, spricht mich sehr an. Ich bin ja auch der Meinung, dass es bislang viel zu wenig Drachen in Geschichten gibt.

    Aber auch, dass dich der Schreibstil, obwohl du eigentlich nie darauf achtest, hier so zu begeistern wusste, spricht definitiv für das Buch.

    Zu den Charakteren: Ich liebe Hexen (wenn sie denn gut gemacht sind). Dennoch muss ich sagen, dass mich von deiner Beschreibung her Niclays am meisten neugierig macht.

    Dass dich der Verlust einiger Figuren zu berühren wusste, spricht auch nochmal sehr für die Geschichte.

    Alles in Allem: Eine sehr gelungene Rezension. Das Buch steht auf der Merkliste :o)

    Liebe Grüße
    Tanja

    PS: Der Aufbau deiner Rezension gefällt mir übrigens sehr. Sehr übersichtlich aufgegliedert. Mehr davon! :o))))))

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    1. Danke ^^ Mich überrascht gar nicht, dass du Niclays am interessantesten findest. Und falls ich in nächster Zeit weitere Rezensionen schreibe, werden sie ziemlich sicher ähnlich gegliedert sein =)

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