Mittwoch, 9. Dezember 2020

Crescent City von Sarah J. Maas

 



Diese Rezension ist aus meinem Frust über die ganzen vier und fünf Sterne Wertungen, die ich die letzten Monate gesehen habe, geboren. Was seht ihr, was ich nicht sehe? Hätte ich dieses Buch nicht für eine Aktion gelesen, ich hätte Crescent City sehr wahrscheinlich sehr früh abgebrochen und nicht zurück geblickt.


Figuren als schlechte Kopien


Ich kriege immer mehr das Gefühl, SJM kann nur eine Geschichte erzählen. Sie hat ein Set an Figuren, die sie in ein neues Setting setzt, ohne viel zu verändern. Bryce ist Calaena und Feyre mit noch weniger Makeln (ihr einziger Makel ist, dass sie zur Hälfte ein Mensch ist in einer Gesellschaft, die auf Menschen hinab blickt...), Hunt ist Rhysand und Rowan (aber keiner der Beiden hätte mehrfach das Trauma der Prota vergessen???), Fury ist Amren und Manon und taucht noch weniger auf als sie. Würde ich es darauf ankommen lassen, ich könnte vermutlich fast jeder Figur zuordnen, auf welchen Gegenstücken sie basiert. Doch es sind nicht mal gute Kopien und funktioniert für mich dieses Mal nicht.



„Erwachsenenbuch“


Was gilt als Erwachsenenbuch? Nach dem Lesen von Crescent City habe ich keine Ahnung mehr. Das Buch wird als SJMs erstes Erwachsenenbuch beworben, nachdem ihre bisherigen Bücher unter New Adult fallen. Am Anfang wirkte es wie eine FSK 18 Sicht darauf, was als erwachsen gilt: mehr Sex, mehr Drogen. Doch das hält sich vielleicht 100 Seiten. Was bleibt ist lediglich, dass die Charaktere fluchen, ansonsten sehe ich keine wesentlichen Unterschiede zu ihren NA Reihen. Weder der Weltenbau, noch die Handlung ist komplexer, Sex- und Gewaltszenen sind nicht graphischer, auch alterlich unterscheiden sich die Figuren kaum.



Handlung? Welche Handlung?


Bryce untersucht zusammen mit Hunt eine Reihe von Mordfällen. Sie folgen ein paar Spuren, kommt aber nicht weit. Glaubt ihr mir, dass ich mit den zwei Sätzen gerade etwa 500 der 800 Seiten beschrieben habe? Die zwei sind furchtbare Detektive und es ist ihnen und anscheinend auch SJM nicht mal bewusst!
Okay, das ist etwas überspitzt. Doch es passiert für 800 Seiten viel zu wenig, um diese Seitenzahl zu rechtfertigen. Wenn es SJM um die Romanze ginge, hätte sie aber das Krimielement nicht anreißen müssen. Wenn sie sich dafür entschieden hätte, über die Diskriminierung von Menschen durch alle anderen Wesen zu schreiben? Klar, ich bin dabei. Die Beziehung zu ihrem Bruder, ihren Freunden? Bitte! Doch sie hat sich dafür entschieden, den Krimi in den Mittelpunkt zu stellen und ihn dann einen großen Teil des Buches ignoriert, um die Beziehung zwischen der Protagonistin und dem Love Interest laufen zu lassen.



So laaang, so laaangsam

Dieser Punkt baut ein wenig auf dem vorherigen auf. Ich bin der festen Überzeugung, SJM hätte locker 200-300 Seiten streichen können, ohne dass es irgendwas verändert, der Geschichte sogar gut getan hätte. Nach den ersten etwa 100 Seiten passiert lange nichts, bis auf den letzten etwa 150 Seiten alles Schlag auf Schlag kommt. Was ist mit dem Mittelteil? Wieso müssen wir uns durch 600 Seiten voll mit ineffektiven Ermittlungen und Sackgassen quälen, um eine unzufriedenstellende Antwort darauf zu bekommen, wieso Bryces Freunde gestorben sind? Wieso kriegt der Antagonist 11 Seiten, um alle Handlungen und Motivationen im kleinsten Detail zu erklären, die wir als Leser und Bryce als Prota vorher nicht mitkriegen?



Plottwists & Vorhersehbarkeit

Hypothese: Leser*innen könnten vermutlich jeden einzelnen Plottwist vorhersehen, der anständig gemacht ist, wenn sie es darauf ankommen lassen würden. Es gab genau einen guten Twist, auf den ich nicht vorher gekommen bin, es aber rückblickend gekonnt hätte. Alle anderen habe ich entweder schon früh erraten, oder sie waren mies gemacht. Sorry, aber wenn etwas aus dem Nichts kommt und nicht zur bisherigen Handlung passt, dann kann SJM noch so sehr versuchen, mir das zu erklären, es ist kein guter Twist. Und sie hat das mehrfach getan und jedes Mal hat mich wütender zurück gelassen. Hätte sie eine solche Wendung eingebaut, okay. Ich bin kein großer Fan davon, aber okay. Doch es ist die Häufung, die mich so stört.



Das Finale

Ohne zu sehr zu spoilern will ich nur kurz darauf eingehen, dass mich genervt hat, wie SJM das Finale gestaltet hat. Im Grunde schauen fast alle Figuren zu, während eine andere Figur fast alles erledigt, um ein Problem zu lösen. Es gibt einen Grund dafür, wie gut er ist, sei dahin gestellt, doch nach dem Frust von 600 Seiten Nichts war das echt die Spitze. Ist es zu viel verlangt, dass ich mitfiebern möchte?



IRGENDWAS Positives?

Um fair zu bleiben, das Buch hat seine Momente. Zum einen gibt es einen Plottwist, den ich für echt genial und gut gemacht halte. Doch Bryce und Hunt haben auch ihre Momente. Zum Beispiel nimmt Bryce an einer Stelle ein Spiel für Hunt auf, als er plötzlich weg muss. Ich hätte gerne mehr solcher süßen Gesten gesehen.



Persönliches Fazit

Ich bin durch mit SJM. Aktuell kann ich nicht sehen, dass sie in der nahen Zukunft etwas schreiben wird, das etwas Neues sein und mich interessieren wird und mir ist meine Zeit zu schade, mich durch weitere solche Wälzer zu kämpfen, wenn es sich nicht mal lohnt.

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Avros: Das Amulett und der Frieden von Derek K. Adler

 



Ich wollte doch nur Frieden.

Die Schlacht steht kurz bevor, als sich der junge Hendrid zwischen seinen Kameraden in Formation aufstellt.
Niemand hat ihn gefragt. Niemand ihm die Wahl gelassen. Der Einzugsbefehl hat ihn und seinen Bruder Belan zu Soldaten in einem Krieg gemacht, den er nicht will. Sein einziger Wunsch ist es diese Schlacht, diesen Krieg zu überleben und mit seinem Bruder heimzukehren.



Ich habe Avros: Das Amulett und der Frieden auf eine Empfehlung hin gelesen. Es hat meinen Geschmack zwar getroffen – ich mochte die Kurzgeschichte, oder zumindest das, was sie sein könnte – hätte mir aber mehr von ihr gewünscht.


Atmosphäre & Welt

Der Autor fängt die Kriegsstimmung super ein, ich fühlte mich neben Protagonist Hendried auf das Schlachtfeld versetzt. Es passt zu der Geschichte, die er hier erzählen will und ich musste mehrfach an Szenen von Brandon Sanderson denken, ohne dass die beschriebenen Welten sich wirklich ähneln. Worldbuildingtechnisch kann ich nicht viel sagen, es werden ein paar Aspekte in den Raum geworfen, doch da es eine Kurzgeschichte ist, verstehe ich, wieso der Autor sie nicht stärker ausgearbeitet hat.


Plot & Protagonist

Das Herz dieser Novelle ist – neben Hendried, der in den Krieg hinein gezogen wird und eigentlich gar nicht dort sein will – der Plottwist. Er hat Potential, hätte meiner Meinung nach aber etwas mehr Vorlauf gebraucht. So fehlt mir sowohl die Überraschung der Wendung, als auch die Gewichtigkeit der Handlungen. Ähnlich geht es mir mit Hendried, außer, dass er sich denkt, dass er das alles doch gar nicht will, ist bei mir kaum etwas von ihm hängen geblieben.


Dialoge

Dialoge gehören oft zu meinen liebsten Teilen von Büchern, vermutlich achte ich deshalb auch mehr auf sie als auf Beschreibungen. Und hier konnte ich mich mit den Dialogen nicht anfreunden. Sie lesen sich stellenweise ziemlich gestelzt, als würden die Figuren ein Skript ablesen, statt wirklich zu reden.


Das Ende

Dadurch, dass die Geschichte eben so kurz ist, war sie auch schon zu Ende, als ich langsam rein kam. Sie liest sich wie ein Einstieg in die Welt und verspricht mehr, daher bin ich gespannt, was der Autor in Zukunft noch macht, doch als alleinstehendes Werl funktioniert sie für mich persönlich nicht. Die Kurzgeschichte hat definitiv Potential, das für mich aber leider nicht erreicht wird.


Sonntag, 13. September 2020

The Priory of the Orange Tree von Samantha Shannon

 

'There's promise in tales that are yet to be spoken.'


 

Geständnis: Ich bin kein großer Fantasy Fan. YA Fantasy habe ich inzwischen so viel gelesen, dass ich oft schon beim Lesen von Klappentexten das Interesse verliere. High Fantasy „für Erwachsene“ ist oft sehr ähnlich aufgebaut und hat mich ehrlich gesagt nie groß interessiert. Ich lese Fantasy, kann aber nicht wirklich behaupten: „Das ist MEIN Genre.“ Und dann kommt immer mal wieder ein Buch wie Priory und erinnert mich daran, wie viel Spaß Fantasy als Genre machen kann.


Worldbuilding

Mit wenigen Worten beschreibt Samantha Shannon ihre Welt voller Drachen. Ich hatte nicht das Gefühl, absatzweise Beschreibungen zu lesen, doch ich habe trotzdem ein genaues Bild der Welt vor Augen. SS hat verschiedene Religionen erschaffen, die teilweise die selbe Figur im Mittelpunkt haben und teilweise zu einer vollkommen anderen Kultur gehören und gar nichts mit den anderen gemeinsam haben. Sie hat Reiche mit verschiedenen Drachen und verschiedenen Sichten auf Drachen erschaffen und sie in Kontrast gesetzt. Alles in allem hat sie auf knapp 800 Seiten geschafft, nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern auch eine ganze Welt aufzuspannen und ihr Leben einzuhauchen.


Schreibstil

Erinnert sich hier noch irgendwer daran, dass mir der Schreibstil beim Lesen nur sehr selten auffällt? Ich bezweifle es, aber Priory ist definitiv einer dieser seltenen Fälle. Ich wünschte, ich hätte mir Stellen markiert, die ich hier zitieren könnte. Mehrfach habe ich innegehalten und gedacht, wie gut ein Satz oder ein Dialog geschrieben war.


Beziehungen & Charaktere

SS legt einen starken Fokus auf die Figuren und ihre Beziehungen unterschiedlichster Art. Im folgenden werde ich auf die vier eingehen, aus deren Sicht das Buch erzählt wird.


Ead

Ead war vermutlich eine der coolsten Figuren des Buches. Als Mitglied der Priory of the Orange Tree, eine Art Hexe, wurde sie nach Inys geschickt, um die dortige Königin, Sabran, zu beschützen. Durch Eads Sicht wird das Leben am Hof direkt interessant. Sie arbeitet hinter den Kulissen und hat es sich zur Aufgabe gesetzt, über die Geheimnisse am Hof auf dem Laufenden zu bleiben. Als Außenstehende behandelt sie unsere Königin als Menschen, anders als der Rest des Hofes, und fängt damit ihre Aufmerksamkeit ein. Es macht Spaß, mitzuverfolgen, wie ihre Beziehung sich langsam entwickelt und ich liebe die kleinen Details, die immer wieder zeigen, wie nahe sie sich stehen. Und eine Szene, in der die Beiden mit einander tanzen, ist vermutlich die Stelle des Buches, an die ich aktuell am häufigsten denke. Man spürt praktisch durch die Seiten die Spannung zwischen ihnen.


Tané

Wenn Tané sich ein Ziel setzt, dann setzt sie alles daran, es zu erreichen. Und Tané will unbedingt zur Drachenreiterin werden. Während ihrer Kapitel geht eine Menge schief, aber sie ist zu stur, um sich unterkriegen zu lassen und kämpft sich immer weiter. Durch sie lernen wir den Osten kennen, der sich stark von dem Westen unterscheidet. Letztendlich hinkt der Vergleich, doch gerade am Anfang habe ich ein paar Mal gedacht, dass Tanés Erzählstrang wie eine erwachsenere Version des Filmes Drachenzähmen leicht gemacht wirkt.


Loth

Loth ist definitiv die Figur, die im Laufe des Buches am meisten dazu gelernt hat. Seine Reise beginnt mit einem Exil, weil durch seine Freundschaft zu Sabran Gerüchte aufkamen, die mögliche Ehepartner abschrecken könnten. An Loths Sicht mochte ich, dass ihm keine Romanzen aufgezwungen werden. Es wäre nicht schwer gewesen, ihm jemanden an die Seite zu schreiben, stattdessen hat sich SS dafür entschieden, dass die enge Beziehung zu seiner Schwester und seine ebenso enge Freundschaft mit Ead und mit Sabran genug für ihn sind.


Niclays

Und letztendlich Niclays. Niclays ist die komplexeste der vier Erzähler-Figuren. Er wurde vor Jahren aus Inys verbannt und lebt seitdem auf einer kleinen Insel im Osten im Exil. Selbst nach 800 Seiten weiß ich nicht, was ich über ihn denke. Mag ich ihn? Habe ich Mitleid mit ihm? Bin ich genervt von ihm? Oder vielleicht eine Mischung aus allem? Er ist nicht unbedingt ein guter Mensch und er hat seine Gründe für seine Ansichten und Handlungen, doch viele der Dinge, die ihm passieren, verdient er nicht.


Zusätzlich zu den vielschichtigen Hauptcharakteren hat SS allerdings auch geschafft, Nebenfiguren genug Charakter zu geben. Mehrfach hat mich der Tod von Figuren getroffen, bei denen ich nicht erwartet habe, an ihnen zu hängen. Mehrfach habe ich mich für Figuren gefreut, wenn ihnen mal etwas Gutes passiert.


Diversity

SSs Welt ist divers. Von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, über queere Menschen bis hin zu Menschen mit Behinderung ist so ziemlich alles dabei. Es ist eine ideale Welt, in der niemand wegen irgendwas davon verurteilt wird und es ist erfrischend und hat das Buch für mich lebendiger gemacht.


Plot & Foreshadowing

Einer meiner liebsten Teile des Buches sind die Puzzle-Stückchen, die SS auf den Seiten verstreut. Kleine Details, die die vier Erzählperspektiven verbinden und Hinweise auf künftige Enthüllungen liefern. Nicht alle Wendungen kommen überraschend und genau das macht sie so gut. Es macht ebenso viel Spaß, sie selbst zusammen zu bekommen wie absolut nichts zu ahnen und das spricht nur dafür, dass die Autorin es richtig gemacht hat.


Unterschiede zu klassischer Fantasy & andere Details

Ich will hier gar nicht tief eintauchen, sondern nur nochmal ein paar der Twists erwähnen, die Priory in meinen Augen anders machen. Zum einen wäre da, wie bereits erwähnt, dass die Welt divers ist und der Cast nicht so männerlastig wie bei Fantasy sonst üblich, ohne in Richtung YA Fantasy zu gehen. Ich fand es ganz erfrischend, dass die meisten Figuren in ihren Zwanzigern sind – also weder halbe Kinder, noch komplett Erwachsene. Und die Drachen, ich fand spannend, dass es zwei verschiedene Arten von Drachen gibt, wie sie sich unterscheiden und wie die Welt um sie herum aufgebaut wurde.


Das Finale

Meine einzige winzige Kritik wäre, dass das Finale etwas zu schnell ging. Nachdem fast 800 Seiten lang alles langsam aufgebaut wird wirkte es seltsam, dass der Konflikt innerhalb von zwei Kapiteln oder so gelöst ist. Doch abgesehen davon habe ich das Buch nach der letzten Seite zufrieden zugeklappt. Das Geschichte ist zwar abgeschlossen, bietet aber Potential für eine Fortsetzung in der Zukunft. Das Zitat am Anfang fällt auf den letzten Seiten und drückt das selbst ziemlich gut aus. Priory funktioniert schon perfekt als Einzelband, diese Möglichkeit von Mehr gibt ihr aber noch ein gewisses Extra, dass es perfekt abrundet.